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Lyrikinterpretation: Materialien


Novalis: Die Enzyklopädie.

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VI. Abteilung: Die philologischen Wissenschaften

2. Poetik (1)

Enzyklopädistik. Die transzendentale Poesie handelt vom Geiste, eh er Geist wird. In der chemischen und mechanischen Psychologie herrscht eine beständige Vernichtung der scheinbaren Individualitäten. In der transzendentalen Poetik gibt es nur ein gemeines (rohes) Individuum. In der praktischen Poetik ist von gebildeten Individuen - oder einem unendlich gebildeten Individuum die Rede.
[1334]

Enzyklopädistik. Universale Poetik und vollständiges System der Poesie. Eine Wissenschaft ist vollendet, 1. wenn sie auf alles angewandt ist - 2. wenn alles auf sie angewandt ist - 3. wenn sie, als absolute Totalität, als Universum betrachtet - sich selbst als absolutes Individuum mit allen - übrigen Wissenschaften und Künsten als relativen Individuen, untergeordnet wird.
[1335]

Kunstlehre. (Malerei) Plastik also nichts anders als Figuristik der Musik.
Merkwürdiger Ausdruck: im höchsten Schwunge. (Malerei) Plastik - objektive Musik. Musik - subjektive Musik oder Malerei. Man sollte alles nötigen, sich akustisch abzudrucken, zu silhouettieren, zu chiffrieren. Fixierte Bewegungen sind Linien. Der Zirkel entsteht durch Zentralschwingung einer Fläche.
Die Poesie ist die Prosa unter den Künsten. Worte sind akustische Konfigurationen der Gedanken. Jedes Instrument ist ein eigentümlich im großen konsoniertes Tonsystem. Mollinstrumente - Durinstrumente - jedes hat seinen eignen Grundvokal. Die menschliche Stimme ist gleichsam das Prinzip und Ideal der Instrumentalmusik. Klingt überhaupt eigentlich der Körper oder die Luft? Ist nicht das elastische Fluidum der Vokal, und der Körper der Konsonant - die Luft die Sonne - und die Körper die Planeten - jenes die erste Stimme - diese die zweite?
Geometrie und Mechanik verhalten sich wie Plastik und Musik. (Chemische Bewegungen, chemische Hemmungen.)
Methode ist Rhythmus. Hat man den Rhythmus der Welt weg - so hat man auch die Welt weg. Jeder Mensch hat seinen individuellen Rhythmus.
Die Algeber ist die Poesie.
Rhythmischer Sinn ist Genie.
Fichte hat nichts als den Rhythmus der Philosophie entdeckt und verbalakustisch ausgedrückt. Reizbarkeit ist echt rhythmische Natur. Das individuelle Verhältnis der Reizbarkeit und des Reizes ist der Rhythmus der individuellen Gesundheit. Ist dieses Verhältnis fehlerhaft, so wird der fehlerhafte Rhythmus gesundheitswidrige Figurationen, Katenationen usw. hervorbringen. Musikalische Natur der Fieber. Lokalkrankheiten. Gicht. Chemischer Rhythmus. Die Lehre von den Assoziationen. (Reale - schaffende Musik.)
[1336]

Die intuitive Darstellung beruht auf systematischem Denken und Anschauen.
[1337]

Geheimnisse der Kunst jede Naturerscheinung, jedes Naturgesetz zur Formel zu gebrauchen - oder die Kunst analogisch zu konstruieren.
[1338]

Dichtkunst ist wohl nur - willkürlicher, tätiger, produktiver Gebrauch unsrer Organe - und vielleicht wäre Denken selbst nicht viel etwas anders - und Denken und Dichten also einerlei. Denn im Denken wenden ja die Sinne den Reichtum ihrer Eindrücke zu einer neuen Art von Eindrücken an - und was daraus entsteht, nennen wir Gedanken.
[1339]

Durch unaufhörliches freies Nachdenken muß man sich begeistern. Hat man gar keine Zeit zum Überschauen, zum freien Meditieren, zum ruhigen Durchlaufen und Betrachten in verschiednen Stimmungen, so schläft selbst die fruchtbarste Phantasie ein, und die innre Mannigfaltigkeit hört auf. Für die Dichter ist nichts nützlicher als eine flüchtige Betrachtung der vielen Weltgegenstände und ihrer Eigenschaften sowie der mancherlei Wissenschaften.
Ich lese jetzt zu wenig und meditiere zu wenig. Wieder etwas Chemie - Physik - Geographie - Geschichte. Alte Chroniken usw. Don Quichotte. Shakespeare. Goethe. Tieck. Boccaz.
[1340]

Zwei Arten, Menschen zu schildern: die poetische und die wissenschaftliche. Jene gibt nur einen durchaus individuellen Zug - ex ungue leonem. Diese deduziert vollständig.
[1341]

Universelle Schriftstellerfertigkeit.
Über die Vieldenker und die Eindenker; Schlegel z. B. und Fichte.
Zivilisierung des Göttlichen und Apotheosieren des Gemeinen.
[1342]

Literaristik. Schriftstellerkunst - wie zum sich zum Schriftsteller bildet. Bibliothek - in Beziehung auf die Schriftstellerkunst - wie Gemäldegalerie in Beziehung auf die Malerkunst.
Klassifikationen der Bücher. Bestandteile der Bücher - vollständiges Buch. Kunst zu lesen.
[1343]

Literaristik. Académie des Sciences - wissenschaftliche Fabrik. Buchhandel.
[1344]

Soll der Schriftsteller gleichsam der Genius seiner Materialien, seiner Charaktere - jedes Buch - Darstellung eines Genies sein - eines zusammengesetzten geistigen Wesens?
[(1345)]

Ars litteraria. Sonderbar, daß man noch keine logische Pflichtenlehre des Lesers und Rechtlehre Autors hat. Ideal eines Lesers.
[1346]

Was ist ein Autor? Der Autor muß den Zweck haben, Autor zu sein. - Die Natur im gewöhnlichen Sinn läßt sich nicht als Autor oder Künstler betrachten - wenigstens nur als Selbstkünstler. Der Autor oder Künstler hat einen fremden Zweck
Diesem Zwecke gemäß bildet er sich eine Autor - Künstlernatur aus. Die Naturationen dieser Natur sind Kunstwerke - Kunstwerk entsteht aus künstlicher Natur.
[1347]

Erfordernisse des Autors - Künstlers.
[1348]

Mannigfaltig kombinierte Autorbewegungen oder Operationen - Lesen - Beobachten - alles in Beziehung auf Selbstdenken - und Schreiben.
[1349]

Über die Dichterwelt und den Dichter - Phantasie - Künstler - Welt usw. [(1350)]

Literatur. Über den moralischen Schriftsteller. Der echte Moralist - die höchste Stufe der literarischen Bildung. Buchkünstler der Moral.
[1351]

Bildung des Schriftstellers.
Hilfsmittel
. Gründliches Studium dieser Profession.
[1352]

Edda. Boccaz. Leben des Thamasp. Kuli Khan [?] etc. Bücher aus Schlöben und von Funk.
[1353]

Überschriften der Hauptmassen in Briefen usw. Über die Tinten und den Ton - analogisch moralisch. Über den echten Dialog. Über das Experiment.
[(1354)]

Briefe sollen Erholungen sein, und ich sollte sie auch als solche für mich bearbeiten. Abends Briefe - leicht, frei, romantisch, mannigfaltig - Vorarbeit zum Roman.
[(1355)]

Briefe, Unterhaltungen - oder Gespräche Geschäftsarbeiten - wirksame Broschüren - das sind praktisch schriftstellerische Arbeiten - Predigten auch.
Romane, Erbauungsbücher, Komödien usw., selbst historische und philosophische Arbeiten, sobald sie nicht als Geschäftsarbeiten, Berichte, Protokolle usw. betrachtet werden können - sind bloß gefällige, liebenswürdige, schriftstellerische Arbeiten.
[1356]

Auch Geschäftsarbeiten kann man poetisch behandeln. Es gehört ein tiefes poetisches Nachdenken dazu, um diese Verwandlung vorzunehmen. Die Alten haben dies herrlich verstanden. Wie poetisch beschreiben sie Kräuter, Maschinen, Häuser, Gerätschaften usw.
Eine gewisse Altertümlichkeit des Stils, eine richtige Stellung und Ordnung der Massen, eine leise Hindeutung auf Allegorie, eine gewisse Seltsamkeit, Andacht und Verwunderung, die durch die Schreibart durchschimmert - dies sind einige wesentliche Züge dieser Kunst, die ich zu meinem bürgerlichen Roman recht nötig habe.
[1357]

Geistige Meter. Über Mechanik. ... [ ?] Die Mimik in Noten, Witz im großen. Experimentalreligion und Philosophie. Wie wirkt gewöhnlicher Umgang im Brownischen Sinne auf mich? Reiz wird zum Reizbaren usw. Physiologie. Begriff von Neutralisation. Ist das Neutrum das Höchste - negatives Neutrum, positives Neutrum und Synthesis. Über die Verwandlung der Geschichte in Tradition. Letztere ist höher.
[1358]

Eine Geschichte ist ein eigentümliches Produkt des Willens und des Verstandes - ohne deren Zutun gibt es keine Geschichte - durch sie kann aber alles zur Geschichte - zum Beispiel - zum Bilde eines Gesetzes werden. [1359]

Bücher sind eine moderne Gattung historischer Wesen - aber eine höchst bedeutende. Sie sind vielleicht an die Stelle der Traditionen getreten.
[1360]

Eigner historischer Sinn und Takt. Eigentümlicher Geist jeder Begebenheit.
[1361]

Enzyklopädistik. Der Dichter ist der Erfinder der Symptome a priori. Wenn der Philosoph im gewöhnlichen Sinn gleichsam der chemische Analytiker im mathematischen Sinn ist - so ist der Dichter der oryktognostische Analyst im mathematischen Sinn - der das Unbekannte aus dem Bekannten findet.
(Da Worte zu den Symptomen gehören, so ist die Sprache eine poetische Erfindung - so sind auch alle Offenbarungen und Phänomene als symptomatische Systeme - poetischen Ursprung - Poetik der Natur. Der Philosoph wär am Ende auch nur der innre Dichter - und so alles Wirkliche durchaus poetisch. Synthetische Poesie Analytik des Äußern und Innern zugleich.)
[1362]

Das echte Dividuum ist auch das echte Individuum.
Der Poet braucht die Dinge und Worte wie Tasten, und die ganze Poesie beruht auf tätiger Ideenassoziation - auf selbsttätiger, absichtlicher, idealischer Zufallproduktion - (zufällige freie Katenation.) (Kasuistik - Fatum. Kasuation.) (Spiel.)
[1363]

Poeten sind Isolatoren und Leiter des poetischen Stroms zugleich.
[1364]

Das Leben ist etwas, wie Farben, Töne und Kraft. Der Romantiker studiert das Leben, wie der Maler, Musiker und Mechaniker Farbe, Ton und Kraft. Sorgfältiges Studium des Lebens macht den Romantiker, wie sorgfältiges Studium von Farbe, Gestaltung, Ton und Kraft den Maler, Musiker Mechaniker.
[1365]

Es ist höchst begreiflich, warum am Ende alles Poesie wird. Wird nicht die Welt am Ende Gemüt?
[1366]

Poesie ist Darstellung des Gemüts - der innern Welt in ihrer Gesamtheit. Schon ihr Medium, die Worte, deuten es an, denn sie sind ja die äußre Offenbarung jenes innern Kraftreichs. Ganz, was die Plastik zur äußern, gestalteten Welt und die Musik zu den Tönen. Effekt ist ihr gerade entgegengesetzt - insofern sie plastisch ist - doch gibt es eine musikalische Poesie, die das Gemüt selbst in ein mannigfaches Spiel von Bewegungen setzt.
[1367]

Die Darstellung des Gemüts muß, wie die Darstellung der Natur, selbsttätig, eigentümlich allgemein, verknüpfend und schöpferisch sein. Nicht wie es ist, sondern wie es sein könnte und sein muß.
[1368]

In unserm Gemüt ist alles auf die eigenste, gefälligste und lebendigste Weise verknüpft. Die fremdesten Dinge kommen durch einen Ort, eine Zeit, eine seltsame Ähnlichkeit, einen Irrtum, irgendeinen Zufall zusammen. So entstehn wunderliche Einheiten und eigentümliche Verknüpfungen - und eins erinnert an alles - wird das Zeichen vieler und wird selbst von vielen bezeichnet und herbeigerufen. Verstand und Phantasie werden durch Zeit und Raum auf das sonderbarste vereinigt, und man kann sagen, daß jeder Gedanke, jede Erscheinung unsers Gemüts das individuellste Glied eines durchaus eigentümlichen Ganzen ist.
[1369]

Töne, Stimmungen des Gemüts - Kälte befördert die Gedankenabsonderung - sowie Sturm der Leidenschaft - und Zug der Neigung - Innre Luft. - Innres Wasser und Licht. Sollte Poesie nichts als innre Malerei und Musik usw. sein? Freilich modifiziert durch die Natur des Gemüts.
Man sucht mit der Poesie, die gleichsam nur das mechanische Instrument dazu ist, innre Stimmungen und Gemälde oder Anschauungen hervorzubringen - vielleicht auch - geistige Tänze usw.
Poesie gleich Gemüterregungskunst.
[1370]

In eigentlichen Poemen ist keine als die Einheit des Gemüts.
Es können Augenblicke kommen, wo Abcbücher und Kompendia uns poetisch erscheinen. Poesie gleich offenbartem Gemüt - wirksamer (produktiver) Individualität.
[1371]

Eigentliche romantische Prosa - höchst abwechselnd - wunderbar - sonderliche Wendungen - rasche Sprünge - durchaus dramatisch. Auch zu kleinen Aufsätzen.
[1372]

Arten der Prosa.
VermischteProsa.         Johannes Müller. Goethe.
Dramatische Prosa.          Livius. Lavater. Friedrich
Epische. - Schlegel.          Cervantes. Luther
Rhetorische. -          Tieck. Altdeutsche Prosa.
Ökonomische. -          Lessing. Böhme.

Es fehlt noch an romantischer Anordnung und Veränderung in den Gedanken. Äußerst simpler Stil, aber höchst kühne, romanzenähnliche, dramatische Anfänge, Übergänge, Folgen - bald Gespräch - dann Rede - dann Erzählung, dann Reflexion, dann Bild und so fort. Ganz Abdruck des Gemüts, wo Empfindung, Gedanke, Anschauung, Bild, Gespräch, Musik usw. unaufhörlich schnell wechselt und sich in hellen, klaren Massen nebeneinander stellt.
[1373]

Der Dichter hat bloß mit Begriffen zu tun. Schilderungen usw. borgt er nur als Begriffszeichen. Es gibt poetische Musik und Malerei - diese wird oft mit Poesie verwechselt, z. B. von Tieck, auch wohl von Goethe.
[1374]

Roher Zufall - gebildeter Zufall - Harmonie. (Antiken - Novellen der Modernen.)
Figur ist ein Begriff - ein Staat.
[(1375)]

Das Wahre und Echte scheint, als wenn es so sein müßte und nicht anders sein könnte. (Seine Simplizität, kindliche Naivität, Leichtigkeit, Bequemlichkeit, Notwendigkeit, Unbedeutendheit.)
[1376]

Der Poet versteht die Natur besser wie der wissenschaftliche Kopf.
[1377]

Die Individualisierung durch Regelmäßigkeit der Mannigfaltigkeit in der Natur.
[1378]

Über Perioden - Objektivität und Subjektivität Stils. Einheit - Ründe - Leichtigkeit - Charakter - Stimmung des Perioden.
Leichter, ungehemmter Überblick des Perioden. Fester Charakter, an den alles leicht, ruhig u gemächlich, in der gefälligen Ordnung der sich selbst beschränkenden Freiheit hinläuft.
[1379]

Schiller geht von einem festen Punkte bei seinen Untersuchungen aus und freilich kann er nachher nie andre Verhältnisse finden, als die Verhältnisse des Maßes, von dem er zu bestimmen ausging. Seine Idee von Moralität usw.
[1380]

Schiller zeichnet zu scharf, um wahr für das Auge zu sein wie Albrecht Dürer, nicht wie Tizian - zu idealisch, um im höchsten Sinn natürlich zu sein.
Sapphische Fragmente
[(1381)]

Der Anfang des Epos ist die Altweibererzählung - das lyrische Gedicht - die Äußerungen ihrer Affekten.
Straffe, schlaffe, lockre, dichte Einbildungskraft. Unwillkürliche Bewegung ist Krampf willkürliche Entzündung. Die rohe Imagination ist bald willkürlich - bald unwillkürlich.
[(1382)]

Kompositionen der Rede. Musikalische Behandlung der Schriftstellerei.
[138]

Leichtigkeit und Popularität.
[1383]

Dichtkunst. Beiwörter der griechischen Dichter - durchaus malerisch bedeutend. Zum Beispiel in der Juno geben die Augen den Ton an und so fort. Theorie der idealischen Proportionen.
[1385]

Begriff von Miniatur. Schlegel sen.
[(1386)]

Kritik. Jean Paul ließe sich vielleicht ein humoristischer Epiker nennen. Er ist nun ein (instinktartiger) natürlicher, enzyklopädischer Humorist.
[1387]

Theorie des gemeinen Lebens. Gebildete Aussprache und Deklamation des gewöhnlichen, gemeinen Lebens als Prosa. - Man muß sich mit Sprechen begnügen, wenn man nicht singen kann. Musikalische Instrumente - poetische Instrumente. (platte Einfälle gleich (oberflächliche) Einfälle von der Oberfläche.)
[1388]

Poetik. Wenn der Roman retardierender Natur ist, so ist er wahrhaft poetisch, prosaisch, ein Konsonant.
[1389]

Schiller musiziert sehr viel philosophisch - Herder und Schlegel auch. Goethe im „Meister“ auch mitunter. Jean Paul poetisiert musikalische Phantasien. Tiecks Lieder sind auch durchaus musikalisch.
[( 1390)]

Höchst interessante Vergleichung zwischen Jean Paul und Goethe mit in den Briefen an die Schlegeln. Die Antiken auch hier.
[(1391)]

Kolossale Darstellungen - Kolossaler Raum.
[(1392)]

Nichts ist romantischer als was man gewöhnlich Welt und Schicksal nennt. - Wir leben in einem
kolossalen (im Großen und Kleinen) Roman. Betrachtung der Begebenheiten um uns her. Romantische Orientierung, Beurteilung und Behandlung des Menschenlebens.
[1393]

Poesie bezieht sich unmittelbar auf die Sprache Ästhetik ist nicht so unrechter Ausdruck, als die Herrn glauben. Schönheitslehre ist der beste Ausdruck, wie mich dünkt.
Poesie ist ein Teil der philosophischen Technik Das Prädikat philosophisch - drückt überall die Selbstbezweckung, - und zwar die indirekte, aus. Die direkte Selbstbezweckung ist Unding - mithin - entsteht durch sie eine zerstörende, mithin zerstörliche - und zu zerstörende Potenz - der grobe Egoism.
Im allgemeinen kann man alle Stufen der Worttechnik unter dem Ausdruck Poesie begreifen. Richtigkeit, Deutlichkeit, Reinheit, Vollständigkeit, Ordnung sind Prädikate oder Kennzeichen der niedrigen Gattungen der Poesie. Schönheit ist das Ideal, das Ziel - die Möglichkeit - der Zweck der Poesie überhaupt. - Wird nach dem notwendigen Schema der Poesie (Rede) - der notwendigen Poesie (Rede) - die wirkliche Poesie (Rede) bearbeitet - so entsteht die idealische Poesie (Rede) - die Schönheitspoesie (Rede). (Harmonie, Euphonie usw. alles begreift Schönheit überhaupt. (Schöne Seele.)
[1394]

Psychologie (Ästhetik). Charakter der Geschwätzigkeit. Geschwätzigkeit des Humor - Tristram Shandy. Jean Paul.
[1395]

Jeder muß mit seiner Stimme und mit seinem Stile zu ökonomisieren - beide gehörig immanent zu proportionieren - und zu nuancieren wissen.
[1396]

Es ist gewiß, daß mit Erfindungsgeist und Geschick sich jeder Gegenstand artig zu Papier bringen, zeichnen, kolorieren und gruppieren läßt.
[1397]

Es ist eine unangenehme Empfindung, bei einem bestimmten Endzweck überflüssige Worte zu hören, und da die Poesie nichts als ein gebildeter Überfluß - ein sich selbst bildendes Wesen ist - so muß die Poesie recht zuwider werden, wenn man sie am unrechten Orte sieht - und wenn sie räsonnieren und argumentieren und überhaupt eine ernsthafte Miene annehmen will, so ist sie nicht mehr Poesie.
[1398]

Daß die Poesie keine Effekte machen soll, ist mir klar - Affekten sind schlechterdings etwas Fatales wie Krankheiten.
Selbst die Rhetorik ist eine falsche Kunst, wenn sie nicht zu Heilung von Volkskrankheiten und Wahnsinn methodisch gebraucht wird. Affekten sind Arzeneien - man darf nicht ihnen nicht spielen.
Klarer Verstand mit warmer Phantasie verschwistert ist die echte, Gesundheit bringende Seelenkost. Der Verstand tut lauter vorhergesehene, bestimmte Schritte.
[1399]

Man muß schriftstellern wie komponieren.
[1400]

Das Naive ist nicht polarisch. Das Sentimentale ist es.
[1401]

Vorteile der Perspektive - der rechten Verteilung und der Sparsamkeit in der Poesie. Recht grobe und gemeine Prosa ist noch wenig da.
Mischung des Groben, Gemeinen, Sprichwörtlichen mit Edelm, Hohem, Poetischem.
Dr. Luthers Sprache. Lessing.
[1402]

Poetische Satire und Annihilation der Poesie.
[1403]

Umgang mit dem Poetischen, dem Romantischen - der Alten Welt - usw. Lektüre des Heterogenen - Romantischen.
[1404]

Das Silbenmaß ist Werk des Verstandes.
[1405]

Wenn man die Idyllen als poetische Landschaftsstücke betrachtet - so gewinnen sie.
[1406]

Sollten die Gebärden wirklich grammatisch, symbolisch oder ausdrucksvoll sein? Ich glaube nicht, daß sie es sein sollen - aber sie werden es sein wenn sie natürlich im idealischen Sinne, Produkte der idealischen Assoziation der innern und äußern Gliedmaßen sind - Sie gehören zum Ressort der Tanzkunst.
[1407]

Alle rein komischen Charaktere müssen, wie im alten Lustspiel, grell und derb gezeichnet sein - die feinen Nuancen sind prosaisch. In der Sphäre der Poesie ist alles entschiedner - jede Funktion ist höher lebendig - und springt farbiger in die Augen.
[1408]

Einheiten des Romans.
Kampf der Poesie und Unpoesie, der Alten und Neuen Welt. Die Bedeutung der Geschichte. Die Geschichte des Romans selbst. Verschwendung usw.
Passive Natur des Romanhelden. Er ist das Organ des Dichters im Roman. Ruhe und Ökonomie des Stils. Poetische Ausführung und Betrachtung aller Begebnisse des Lebens.
Die Poesie muß nie der Hauptstoff, immer nur das Wunderbare sein.
Man sollte nichts darstellen, was man nicht völlig übersähe, deutlich vernähme, und ganz Meister desselben wäre - z. B. bei Darstellungen des Übersinnlichen.
[1409]

Flögels Geschichte der komischen Literatur.
tausendfache Versuche im komischen Fache.
Vermählung des Komischen mit der höchsten Poesie - und dem Wichtigsten und Ernstesten überhaupt.
[1410]

Die Naturpoesie ist wohl der eigentliche Gegenstand der Kunstpoesie - und die Äußerlichkeiten der poetischen Rede scheinen sonderbare Formeln ähnlicher Verhältnisse, sinnbildliche Zeichen des Poetischen an den Erscheinungen zu sein.
Schickliche Wahl und Nettigkeit.
Der passendste und reinste Ausdruck.
Rhythmus und Reim. Wohllaut und Beschränkung usw.
[1411]

Die Gabe der Unterscheidung, das reine, trennende Urteil muß, um nicht tödlich zu verwunden und überall Haß zu erregen, mit großer Behutsamkeit auf Menschen angewandt werden.
Man haßt es, teils aus Schmerz über den Verlust eines befriedigenden Irrtums, teils aus Gefühl eines erlittnen Unrechts, weil auch das schärfste Urteil eben durch die Trennung des Unteilbaren, durch die Absonderung von der Umgebung, der Geschichte, dem Boden, der Natur der Sache zu nahe tritt, und über die Ansicht der einzelnen Erscheinung an sich ihren Wert, als Glied eines großen Ganzen, vergißt.
Gerade durch diese Mischung von widriger Wahrheit und beleidigendem Irrtum wird es so verwundend.
Die Poesie heilt die Wunden, die der Verstand schlägt. Sie besteht gerade aus entgegengesetzten Bestandteilen - aus erhebender Wahrheit und angenehmer Täuschung.
[1412]

Der Dichter muß die Fähigkeit haben, sich andre Gedanken vorzustellen, auch Gedanken in allen Arten der Folge und in den mannigfaltigsten Ausdrücken darzustellen. Wie ein Tonkünstler verschiedne Töne und Instrumente in seinem Innern sich vergegenwärtigen, sie vor sich bewegen lassen und sie auf mancherlei Weise verbinden kann, daß er gleichsam der Lebensgeist dieser Klänge und Melodien wird, wie gleichfalls ein Maler, Meister und Erfinder farbiger Gestalten, diese nach seinem Gefallen zu verändern, gegeneinander und nebeneinander zu stellen und zu vervielfachen, und alle mögliche Arten und einzelne hervorzubringen versteht, so muß der Dichter den redenden Geist aller Dinge und Handlungen in seinen unterschiedlichen Trachten sich vorzubilden, und alle Gattungen von Spracharbeiten zu fertigen und mit besonderm, eigentümlichem Sinn zu beseelen vermögend sein. Gespräche, Briefe, Reden, Erzählungen, Beschreibungen, leidenschaftliche Äußerungen, mit allen möglichen Gegenständen angefüllt, unter mancherlei Umständen und von tausend verschiednen Menschen muß er erfinden und in angemeßnen Worten aufs Papier bringen können. Er muß imstande sein über alles auf eine unterhaltende und bedeutende Weise zu sprechen, und das Sprechen oder Schreiben muß ihn selbst zum Schreiben und Sprechen begeistern.
[1413]

Soloschauspiel; 3 Einheiten; ästhetisches Ganzes - Wechsel - Übergänge - Verwandte Empfindungen nach der Analogie der Musik - wie sie einander gern ablösen? Verbindungen - ästhetische Zwecke.
[1414]

Lyra Pindar - Klopstock - Horaz - modulierte Welt - Gesetze der Assoziation.
sind Epos - Lyra - und Drama etwa nur die drei Elemente jedes, Gedichts - und nur das vorzüglich Epos, wo das Epos vorzüglich heraustritt und so fort.
Monotonie - Polytonie - Harmonie.
Rede - Gesang - Rezitativ - oder besser Rezitativ (Epos), Gesang (Lyra), echte Deklamation (Drama).
Vollkommene Oper ist eine freie Vereinigung aller, die höchste Stufe des Dramas. Epos ist wohl nur ein unvollkommnes Drama. Epos ist ein poetisch erzähltes Drama.
[1415]

Akustik. Ein Theater ist, wie Fabrik und Akademie - ein großer mannigfaltiger Virtuos.
[1416)

Psychologisch notwendige, instinktartige Entstehung des Trauerspiels.
[(1417)]

Über das Drama - und die dramatische Konstruktion - Szenen - Akte - Verwickelung - mimisches Spiel - Einteilung - Gliedrung einer Handlung usw.
[1418]

Wie die Stimme mannigfaltige Modifikationen in Ansehung des Umfangs - der Geschmeidigkeit - der Stärke - der A r t (Mannigfaltigkeit) - des Wohlklangs - der Schnelligkeit der Präzision oder Schärfe - hat - so ist auch die schriftliche Stimme oder der Stil auf eine ähnliche Weise unter mannigfachen Gesichtspunkten zu beurteilen. Die Stilistik hat ungemein viel Ähnlichkeit mit der Deklamationslehre - oder der Redekunst im strengern Sinne.
Rhetorik ist schon ein Teil der angewandten Rede und Schreibekunst. Außerdem gebraucht sie die angewandte geistige oder psychologische Dynamik - und die angewandte, spezielle Menschenlehre überhaupt mit in sich.
(Technische Menschenlehre. Jene Dynamik ist ein Teil der Menschenlehre überhaupt.)
[1419]

Kultur des Enthusiasmus. Die Hörsäle sind vielleicht dem Theater entgegengesetzt, insofern dasselbe zur Erregung des Enthusiasmus - zur Bildung und Sammlung des Herzens und Gemüts bestimmt wird.
[1420]

Dramatische Darstellung in einzelnen, unabhängigen Kapiteln. Unbequemlichkeiten einer chronologisch fortschreitenden Erzählung.
[1421]

Epische Reden - lyrische Reden - dramatische Reden - rhetorische Reden.
[1422]

In einer wahren Rede spielt man alle Rollen - geht durch alle Charaktere durch - durch alle Zustände - nur um zu überraschen - um den Gegenstand von einer neuen Seite zu betrachten, um den Zuhörer plötzlich zu illudieren, oder auch zu überzeugen. Eine Rede ist ein äußerst lebhaftes, und geistreiches, abwechselndes Tableau der innern Betrachtung eines Gegenstandes. Bald frägt der Redner, bald antwortet er, dann spricht er und dialogiert, dann erzählt er, dann scheint er den Gegenstand zu vergessen, um plötzlich zu ihm zurückzukommen, dann stellt er sich überzeugt, um desto hinterlistiger zu schaden, dann einfältig, gerührt, mutig - er wendet sich zu seinen Kindern - er tut, als ob alles vorbei und beschlossen wäre - bald spricht er mit Bauern, bald mit diesen, bald mit jenen, selbst mit leblosen Gegenständen.
Kurz, eine Rede ist ein monologes Drama.
Es gibt bloß offne, gerade Redner - die schwülstigen Redner sind gar nichts wert. Die echte Rede ist im Stil des hohen Lustspiels, nur einzeln - mit großer Poesie verwebt. - Sonst recht klare, einfache Prosa des gemeinen Lebens - Dialogenstil. Der Redner muß jeden Ton annehmen können.
[1423]

Lustspiel und Trauerspiel gewinnen sehr und werden eigentlich erst poetisch durch eine zarte, symbolische Verbindung.
Der Ernst muß heiter, der Scherz ernsthaft schimmern.
[1424]

Hamlet ist eine Satire auf ein modernes zivilisiertes Zeitalter - gewissermaßen eine Äußerung des englischen Nationalhasses gegen Dänemark. Norwegen steht mit Fleiß in Heldenherrlichkeit triumphierend dahinten. Die hohe Schule von Wittenberg ist ein höchst wichtiger Umstand - Hamlet soll Held sein und ist ein Gelehrter usw. Frankreich paßt gut dazu. Einige erhabene Ideen schimmern durch und erheben das Ganze. Ophelias Wahnsinn und der Geist sind poetische Erscheinungen.
[1425]

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